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Donnerstag, 8. September 2011

Ein Monat Indien und endlich bin ich mal zu ein bisschen Internet gekommen. Auf meinem Flug
von Frankfurt nach Bangalore hab ich mir die ganze Zeit ausgemalt, wie wohl die Ankunft im
fernen Indien sein wird. Ich habe mich mental auf Bettler, Armut und DEN Kulturschock eingestellt
auf Hitze und Monsun. Als ich dann endlich, um 00:15 Uhr, aus dem Flieger gestiegen bin, musste
ich überrascht feststellen, dass keine meiner Erwartungen bzw. Befürchtungen erfüllt wurde.
Meine Mitreisenden und ich wurden mit einem Bus zu einem Hotel, in dem wir unsere erste Nacht
verbringen sollten, gebracht. Den nächsten Tag verbrachten wir in Bangalore, wo wir uns zunächst
ein Pferderennen ansahen und anschließend in den botanischen Garten gingen. Von den Felsen aus
konnte man hinab auf die Stadt mit ihren vielen kleinen Lichtern und den dahin rasenden Rikschas
sehen.

Nach unserem Tag in Bangalore fuhren wir über Nacht nach Kundapur. Ich weiß noch genau, wie
Morten und ich die ganze Zeit aus dem Fenster schauten und jedes mal, wenn wir ein Haus
erblickten uns überlegten, ob wir wohl dort wohnen würden. Natürlich war die richtige Ankunft
etwas anders, etwas indischer...wir kamen irgendwann an und hatten keine Ahnung wo wir waren
oder wo wir eigentlich hin mussten. Als wir in einem in der Nähe gelegenen Hotel nach dem
Hauptsitz unserer Organisation fragten, wurde uns gesagt, dass später jemand von FSL käme, der
uns zu unserem Hotel bringen würde.
Die Vorbereitungswoche mit all ihren wunderbaren, einzigartigen und unbeschreiblichen Momenten
hier niederzuschreiben – dass sei vorab gesagt – ist unmöglich. Daher möchte ich mich auf einige
wenige Augenblicke beschränken, die nicht unerwähnt bleiben dürfen.
Der großartigste Moment auf der ganzen VB (Vorbereitungswoche) war mein Geburtstag. Vor
meinem Geburtstag hatte jeder seine Projektbeschreibung bekommen. Ich hatte erfahren, dass ich
nicht wie eigentlich angenommen mit vielen anderen Freiwilligen in Kundennah bleiben würde,
sondern GANZ ALLEINE nach Moorabidri führe. Das Projekt hörte sich wunderbar an, die
Gastfamilie – wurde mir versichert - sei wahnsinnig nett und dennoch hatte ich nach dieser
Neuigkeit ganz schön Respekt vor meiner eigenen Courage. Ich, ALLEIN in Indien?! Ist es nicht
gefährlich als Frau alleine zu reisen? Mit wem würde ich mich austauschen können? Wann würde
ich meine Freunde wiedersehen? … All diese Fragen beschäftigten mich in diesem Moment sehr
und überschatteten die Vorfreude auf meinen Geburtstag. 

Doch dieser Tag sollte einer der schönsten Geburtstage werden, die ich je hatte. Ich stand ganz normal auf, ging zum Frühstück, wo mir von allen – es hatte sich herumgesprochen – gratuliert wurde. Nach dem Frühstück gesellte ich mich gemeinsam mit Lilli zu den Jungs (Simon und Nils) auf den Balkon. Dort öffnete ich die Geschenke von meinen Eltern und dachte damit habe sich mein Geburtstag erledigt. Der weitere Tag verlief ohne weitere Vorkommnisse. Wir schauten uns ein Schulprojekt an und gingen anschließend zu einer Gastfamilie, um einen ersten Eindruck von Projekten und Familien zu bekommen. Danach gingen wir zu einer Musikaufführung. Nach der Aufführung hatten wir riesigen Hunger und so beschlossen Simon, Nils und ich essen zu gehen. Nach einer Woche ohne Fleisch war die Freude über unser Hühnchen unbeschreiblich. Zurück im Hotel wurde ich zunächst ausgesperrt. Als ich dann endlich rein gerufen wurde, standen alle Freiwilligen in einem riesigen Kreis, sangrn „Happy Birthday“ und in ihrer Mitte stand wohl der größte und schönste Geburtstagskuchen, den ich je bekommen habe. Ich war unglaublich glücklich und zugleich unglaublich überrascht. An dieser Stelle noch mal ein reisen Dankeschön! Dieses Ereignis war einfach zu großartig, um es unerwähnt zu lassen. 


Wie sich nach der VB (Vorbereitungswoche) herausstellen sollte waren meine Befürchtungen
bezüglich der Einzel Unterbringung in Projekt und Gastfamilie absolut unnötig. Ich wurde nach
einer dreistündigen Busfahrt – voller bangen und hoffen – auf dem Schulgelände der Jathanna
School abgesetzt. Dort nahm mich die Jathanna Familie mit einem liebevoll zubereiteten Festmahl
in Empfang. Bei der Jathanna Familie handelt es sich um die Besitzer der Schule. Sie haben
aufgrund ihres christlichen Glaubens eine Schule für Kinder aus armen Familien errichtet. In dieser
Schule unterrichten fünf fest angestellte Lehrer Kinder bis zur siebten Klasse. Die Hauptsprache der
Schule ist Kannada. Aber zurück zum Essen. Nach dem Essen kam meine Amma (Gastmutter) und
meine Akka (ältere Gastschwester), um mich mit ihrem Auto abzuholen. Sie waren beider festlich in
Saris gekleidet und hatten bereits vorher immer die Freiwilligen aus dem Projekt beherbergt. Als
wir zu Hause ankamen staunte ich nicht schlecht. Ich hatte ein Haus für mich alleine! Ich sollte für
das nächste Jahr in einem Gasthaus zwischen dem Haus meiner Gastfamilie und dem meiner
Großmutter wohnen. Einerseits freute ich mich, weil ich niemals erwartet hatte so komfortabel
unterzukommen, andererseits bedeutete so ein Haus für sich alleine möglicherweise auch sehr viel
Eigenständigkeit. Ich hoffte trotz der separaten Behausung ein Teil der Familie werden zu können
und wie sich herausstellte sollte meine Hoffnung erfüllt werden.
Mittlerweile ist ein Monat vergangen und ich werde von Tag zu Tag mehr Teil dieser Familie.
Mittags sitzen wir gemeinsam im Hotel unserer Amma, während ich ihnen Deutsch erkläre, bringen
sie mir Kannada bei, abends spiele wir gemeinsam Uno, Bluff – wobei ich sie nie durchschaue –
oder „Mensch ärger dich nicht“, sie erklären mir die Handlung ihrer indischen Serien oder
debattieren mit mir über politische Themen. Neulich haben sie mir ihr altes Haus gezeigt, den Ort
wo sie ihre Kindheit verbracht haben. Es liegt mitten im Wald. Um das Haus stehen riesige Palmen .
Sie zeigten mir den Wasserfall an dem sie früher immer spielten und die Bäume auf die sie heute
noch manchmal zum nachdenken klettern. Später am Abend gaben sie mir ihre Gedichte, in denen
sie ihre Kindheit, ihren Alltag und ihr Leben hier beschreiben.
Mittlerweile bin ich nicht mehr alleine im Projekt. Kerstin, eine zweite Freiwillige aus Deutschland
hat von ihrem Projekt aus Bangalore zu mir gewechselt. Wir leben nun gemeinsam in der
Gastfamilie, teilen uns einen Raum und arbeiten zusammen. Gestern waren wir gemeinsam mit
unserer Gastfamilie auf einer riesigen Parade zu Ehren Gandeshas Geburtstag. Männer von oben bis
unten mit Farben besprüht, als Tiger, Löwen oder Gandesha selbst verkleidet tanzten auf bunten,
mit Blumen behangenen Wagen. Ein beeindruckendes Spektakel. Am Schluss des Umzugs konnten
wir eine riesige, blumengeschmückte Gandesha Statur bewundern. Diese wird in den nächsten
Tagen vor dem Tempel aufgestellt werden. Auf den anderen Wagen wurden kleine Theaterstücke
oder Tänze zu Ehren Gandeshas aufgeführt. Meist wurde das Leben Gandeshas thematisiert, auf
einigen Wagen war allerdings auch Magath Magandi oder andere Gottheiten zu sehen.




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